Wer gibt schon gerne zu, dass er neidisch ist? Neid zählt zu den 7 Todsünden der katholischen Kirche und ist in unserer Kultur negativ besetzt. Dabei ist der Neid in seiner positiven Form unser Antrieb und ein soziales Bindemittel. Deshalb lohnt es sich, einen genaueren Blick darauf zu werfen.
„Der hat etwas, was ich nicht habe“, ist erstmal eine neutrale Feststellung. „Der hat was, das ihm gar nicht zusteht, weil…“, ist schon negativer besetzt. „Der hat was, das ich mir gleich nehme/gleich kaputtmache“, ist bedrohlich. „Der hat was, was ich mir auch erarbeiten möchte“, ist konstruktiv und motivierend.
Wie oft wird die letzte Variante eingesetzt und wieviel Zeit wird mit den anderen Reaktionen vertan? In Untersuchungen wurde herausgefunden, dass in 60 % aller Mobbingfälle Neid die treibende Kraft ist. So viel Energie könnte auch produktiver genutzt werden.
Wie man sich ausbremst
Neid ist eine urmenschliche Charaktereigenschaft, die in jedem Menschen angelegt ist. Im Sandkasten gibt es zwischen den Kleinsten schon Gerangel um Schaufel und Eimer. Bei den Erwachsenen kann Neid dazu führen, dass das Arbeitsklima unerträglich wird, Nachbarschaften sich in Frontlinien verwandeln oder langjährige Freundschaften zerbrechen. In seiner negativen Ausprägung kann Neid uns ausbremsen, indem er Energien in unproduktive Gedanken lenkt. „Die hat sich doch hochgeschlafen“ oder „Der hat den Job nur wegen Vitamin B bekommen“ ist ab und zu Fakt, meistens aber Ausdruck des Frusts, es nicht selbst geschafft zu haben. Eine genauere Analyse der eigenen Fähigkeiten, Nachdenken über die Selbstvermarktung im Job, ein möglicher Arbeitsplatzwechsel, wären dem eigenen Vorankommen sicherlich förderlicher. Wie verschaffe ich mir mehr Zufriedenheit, könnte die Reaktion auf eigene neidische Anwandlungen lauten.
Ein Thema, so alt wie die Menschheit – auch in der Unternehmensphilosophie
Neid ist kein kulturelles Phänomen, sondern gehört zu den normalen Anlagen des Menschen. Es gibt in jeder Sprache ein Wort für Neid. Längst vergangene Kulturen haben ihren Göttern Opfer dargebracht, um deren Neid zu besänftigen. Zentrale Objekte der Angst vor Neid waren die Zukunftsgaranten Nahrung, Kinder und Wohlstand. Auch in der Unternehmensphilosophie könnte sich so etwas widerspiegeln. Deswegen findest du hier dazu mehr Informationen: warmeling.consulting/unternehmensphilosophie/.
In Deutschland sollten „Neidstangen“ und „Neidköpfe“ am Giebel die Bewohner vor dem bösen Blick von Neidern schützen. Vermeintliche Erkrankungen durch den bösen Blick wurden mit getrockneter und pulverisierter Ziegenmilch kuriert. Ein britischer Anthropologe hat die These aufgestellt, dass das Trinkgeldgeben in den Pubs ursprünglich dazu gedacht war, den Neid des Personals zu beschwichtigen. Wer wollte schon Gift im Becher serviert bekommen…?
Wir haben gelernt, dass Neid zu den schändlichsten und verwerflichsten Eigenschaften eines Menschen zählt. Deshalb wird dieses Phänomen weitgehend verdrängt und wenig thematisiert. Wenn man heute beim Start in den Tag feststellt, dass das Auto aufgebrochen wurde und das GPS fehlt, kommt man nicht unbedingt darauf, die Motivation des Diebes in seinem Neid zu sehen. Schaut man genauer hin, hat das Klauen aber durchaus neidische Züge. Ich will haben, was dir gehört, damit mein Lebensstandard besser wird.
Das soll nicht heißen, dass nur die weniger Wohlhabenden neidisch sind. Motive, um Neid zu empfinden, gibt es für jeden Menschen. Nachbars Auto, Haus, Frau, Mann, Kind, Sixpack, Popo, Job, Freundeskreis, offene Art, Unbekümmertheit usw., können den fiesen kleinen grünen Stachel setzen, der den restlichen Tag vermiest. Obwohl Neid nicht explizit angesprochen wird, ist er in unserem Alltagsleben ständig präsent: In unserer Konsumgesellschaft wird der Neid benutzt, um permanent Kaufimpulse zu vermitteln.
So funktioniert Neid
Wie fühlt sich Neid an? Teilnehmer an internationalen Studien haben ihre Neidgefühle unterschiedlich lokalisiert. Sie entstehen gefühlt im Kopf, im Magen oder im Herzen. Tatsächlich soll ein Hormon Neidgefühle verstärken. Eine israelische Forscherin hat herausgefunden, dass Oxytocin, sonst verantwortlich für die emotionale Bindung von Mutter und Kind, auch auf das Neidempfinden einwirkt. Unter anderem ist unser Stammhirn mit den urmenschlichen Reflexen Angst und Flucht mitverantwortlich für die Ausschüttung des Hormons. Weitere Forschungsergebnisse zeigen, dass das Hormon auch unsere Stressregulation beeinflusst. Ein höherer Oxytocin-Spiegel bewirkt eine engere Anbindung an die eigene soziale Gruppe und eine stärkere Abgrenzung gegen andere. Hier dockt eine weitere Ausprägung des Neids an – das Ressentiment. Es entsteht gegenüber anderen Gruppen, Nationen oder Rassen.
Ein deutscher Wissenschaftler hat sich intensiv mit dem Neid befasst. Rolf Haubl hat herausgefunden, dass es verschiedene Formen dieser unangenehmen Empfindung gibt. Neben dem depressiv-lähmenden Neid gibt es auch den empört-rechtenden und den feindselig-schädigenden. Die erste Neidform führt zu Selbstmitleid, weil man meint, nie erreichen zu können, was andere sind oder haben. Die empört-rechtende Form postuliert einen Anspruch und stellt in Frage, dass dem anderen etwas zusteht. Der feindselige Neid geht soweit, eher das „Mehr“ des anderen zu zerstören, als es selbst nicht zu besitzen.
Die US-Forscherin Sarah Hill beschäftigt sich mit dem konstruktiven Neid, der uns ehrgeizig-stimulierend und realistisch einschätzen lässt, was wir zu erreichen vermögen. Er hilft uns dabei, uns von anderen abzugrenzen – als Selbsterkenntnis ein wichtiger Teil der Persönlichkeitsentwicklung. Außerdem stimuliert er uns zu Aktivität und Kreativität, wenn wir uns positiv an anderen ein Beispiel nehmen und ebenfalls schaffen wollen, was sie leisten oder besitzen.
In der urmenschlichen Geschichte könnte der konstruktive Neid also der Entwicklungsmotor gewesen sein, Menschen das gute Beispiel anderer nachahmen zu lassen. So konnte das Interesse an Wissen und Fertigkeiten geweckt und durch Nachahmen und Ausprobieren übernommen oder sogar verbessert werden.
Mit dem eigenen Neid umgehen
Zurück zum Ausgangspunkt. Statt uns durch destruktiven Neid auszubremsen, steht uns die konstruktive Variante als Antriebskraft und Energiequelle zur Verfügung. Das hört sich einfach an, aber wie kriege ich das hin? Dazu gibt es Tipps:
Wenn du den „fiesen“ Neid verspürst, werte ihn als Signal deines Unterbewusstseins: Dein Selbstwertgefühl hängt in den Seilen. Etwas in deinem Leben ist nicht so, wie es sein könnte. Guck genau hin, worin der Mangel besteht und überlege, welche Veränderungen dich zufriedener machen würden.
Ist das Objekt des Neids definitiv nicht zu erreichen, raten Experten zur Trauerarbeit. Manchmal ist der Zug definitiv abgefahren, manchmal passen die eigenen Träume nicht zu den persönlichen Fähigkeiten. Richte deinen Zorn nicht auf diejenigen, die deine Träume umgesetzt haben. Suche nicht mehr nach ihren Unzulänglichkeiten. Weine ein letztes Mal dicke Tränen, tu dir ein bisschen Leid und suche dir neue Ziele, die erreichbar sind.
Mach dir bewusst, was du schon geleistet hast und was du noch schaffen kannst. Frag mal die, die dich mögen, was sie an dir schätzen. Stell deine Qualitäten nicht in den Schatten, sondern nutze sie bewusst. Dann besteht kein Anlass mehr, andere zu beneiden. Wer weiß, welchen Preis sie für das bezahlen, was du haben oder sein möchtest…?
Wenn Zufriedenheit sich im gegenwärtigen Leben gar nicht herstellen lässt, schlägt Neid-Forscher Haubl vor, den gesamten gegenwärtigen Lebensentwurf in Frage zu stellen. Vielleicht macht ein anderer „way of life“ glücklicher? Es könnte schon ein Wechsel in die Selbstständigkeit oder das Auftun mehrerer Einkommensquellen durch einen Nebenjob sein, was zur Zufriedenheit beiträgt und den „fiesen“ Neid unnötig macht.
Bist du selber schon Opfer einer Neidattacke geworden? Demnächst gibt es Infos zum Thema “Neidattacken abwehren”. Bis dahin sammle ich die krassesten neidischen-Sprüche. Schreib mir doch einfach ins Kommentarfeld, was du zu hören bekommen hast!
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Angelika Howind