Nein sagen ist manchmal gar nicht so einfach. Lieber hetzt man sich ab, gnadenlos gegen sich selbst. Ist das die Lebensqualität, die du dir vorstellst? Aber man fürchtet, einen Auftrag zu verlieren, im Job ins Hintertreffen zu geraten oder die Beziehung zu Kunden, Vorgesetzten, Kollegen oder Freunden und zur Familie zu beschädigen.

Was ist das Resultat, wenn du nicht „Nein“ sagen kannst? Du teilst deine Ressourcen in viele kleine Teilchen auf und schaffst es wahrscheinlich nicht, irgendetwas auch nur annähernd vernünftig zu erledigen. Oder du hängst dich in eine Sache ganz hinein, während anderes liegen bleibt. Die Konsequenzen sind meist schlimmer als das, was ein überzeugtes „Nein“ zur rechten Zeit bewirkt hätte.
Das hört sich jetzt oberschlau an. Ich weiß genau, welcher Film abläuft, bevor ich „Nein“ sage. Ich schaffe es auch nicht immer, meine Ressourcen konsequent einzusetzen. Deshalb kommt es mir ganz gelegen, mich selbst nochmal mit diesem Thema zu beschäftigen.

Gehen wir der Sache auf den Grund. Mal wieder lauern die Hemmnisse, „Nein“ sagen zu können, in unseren Einstellungen. Da hat es in unserer Kindheit Situationen gegeben, in denen wir uns bestimmte Glaubenssätze tief eingeprägt haben:

1. Andere sind wichtiger als ich. Deshalb darf ich nichts ablehnen.
2. Wenn ich „Nein“ sage, werde ich als nicht leistungsfähig angesehen. Ich bekomme Ablehnung statt Anerkennung.
3. Lehne ich ab, steht der andere auf dem Schlauch. Das kann ich nicht verantworten.
4. Weigere ich mich, ist das zutiefst egoistisch. Dann muss es ja ein anderer übernehmen.
5. „Nein sagen“ verursacht Ärger und führt zu Diskussionen. Ich bekomme doch nie Recht. Dann mache ich es lieber gleich.
6. Sage ich „Nein“, sind alle anderen sauer auf mich. Das halte ich nicht aus.

Wer eine dieser Einstellungen verinnerlicht hat, muss lernen, klare Grenzen zu setzen. Einfacher wird es, wenn man Strategien entwickelt, das Abgrenzen übt, und trainiert, auf freundliche Weise „Nein“ zu sagen. Einige Anregungen:

 

Wertschätze deine Zeit

Strukturiere deine Arbeit so, dass du einen Überblick hast, was zu erledigen ist. Plane, wie und wann du diese Aufgaben abarbeiten willst. Nun kannst du deutlich sehen, ob und wann du noch Kapazitäten hast. Bist du komplett ausgelastet, muss etwas anderes verschoben werden. Ist das machbar? Falls nicht, kannst du ruhigen Gewissens sagen: „Sorry, ich bin bis XYZ ausgelastet. Danach kann ich mich sehr gern um diese Aufgabe kümmern!“

 

Kenn deine Prioritäten

Du hast dir gerade einen freien Freitagnachmittag freigeschaufelt, deine Familie freut sich schon auf das lange gemeinsame Wochenende, und dann kommt ein Anruf mit einem Eilauftrag. Er sollte schon vor 3 Tagen eintreffen. Nun musst du abwägen, was dir wichtiger ist. Nicht einfach… Oft räumen Kunden vor dem Wochenende noch ihren Schreibtisch auf und genau diese Auftragsvergabe ist noch offen. Bleib ruhig und frag nach. In den seltensten Fällen muss diese Sache tatsächlich bis Montagmorgen um Punkt 8 erledigt sein.

Willst du deine Familie enttäuschen? Biete dem Kunden einen Ausweichtermin an. Erzieh dir deine Kunden. Schlampt ein Sachbearbeiter beim Kunden und gibt einen Auftrag nicht zeitnah raus, bist du der oder die Dumme. Gerade Kleinunternehmer haben schnell den Ruf, alles für einen Auftrag zu tun. Lässt du dich darauf ein, arbeitest du bald auf Zuruf rund um die Uhr und nur unter höchstem Stress. Möchtest du dein Leben so leben? Ich plädiere nicht für die „Servicewüste Deutschland“. Im Gegenteil. Selbstverständlich arbeite ich auch am Sonntag oder treffe mich erst nach 20.00 Uhr mit Kunden, wenn es nötig ist. Aber ich sehe nicht ein, warum nicht alle Geschäftspartner auf Augenhöhe und respektvoll miteinander umgehen sollten. Ich helfe einem Kunden gern mal aus der Patsche. Ist er aber so verpeilt, dass ich ständig seine Bummelei ausbügeln muss, hat das Konsequenzen. Also: Deine Familie ist dir wichtig, du kannst diesen Auftrag jetzt nicht bearbeiten. Du sagst deinem Bummelkunden: „Ich habe in den nächsten Tagen keine freien Ressourcen mehr. Ich könnte den Auftrag jedoch bis XYZ für Sie erledigen!“

Vor kurzem habe ich aus erster Hand eine ermutigende Geschichte gehört. Jemand aus dem Dienstleistungsgewerbe sollte von seinem Auftraggeber plötzlich eine deutlich niedrigere Tagespauschale bekommen, als bisher allgemein üblich. Er hat den Auftrag abgelehnt. Er weiß genau, dass er ein angemessenes und ortsübliches Preis/Leistungsverhältnis bietet. Der Auftraggeber hat 6 andere Dienstleister aus der Branche angerufen, die ebenfalls abgelehnt haben. Dieses „Nein“ hat dafür gesorgt, dass der Preisdrücker zurückrudern musste. Gute Arbeit hat ihren Preis. Hier hat mal nicht die Angst vor dem Auftragsverlust regiert, sondern der Widerstand gegen den Wertverlust der eigenen Arbeit. Jeder freut sich, wenn er Geld sparen kann. Lassen wir uns aber alle auf Arbeit zum Selbstkostenpreis ein, sind wir bald eine Nation der Aufstocker beim Amt.

 

Übe es, „Nein“ zu sagen

Sag, so oft es geht, „Nein“. Du musst dich daran gewöhnen, dich so klar abzugrenzen. Wollen dich Leute überreden, „Ja“ zu sagen, wiederhole „Nein“, bis sie aufgeben!

 

Entschuldige dich nicht

Viele Menschen neigen dazu, sich für ein „Nein“ zu entschuldigen. „Es tut mir leid, aber…“ schwächt die Verneinung jedoch deutlich ab. Es klingt zwar netter, ist aber kontraproduktiv. Du willst doch deine Position vertreten und deine Zeiteinteilung umsetzen. Klare Worte sind dabei hilfreich!



Hör auf, brav zu sein

Es ist wichtig, nett und freundlich auf Menschen zuzugehen. Das bedeutet jedoch nicht, zu allem „Ja“ sagen zu müssen. Solange du dir von anderen deine Zeit (und dein Geld) stehlen lässt, werden sie damit weiter machen. Zeig ihnen also die klare Kante. Du behütest deine Zeit und wehrst ab, was nicht zu deinen Plänen passt. Ein guter Freund kommt mal wieder um die Ecke und braucht sofort dies oder das, obwohl du etwas Wichtiges zu erledigen hast. „Das passt jetzt gerade gar nicht! Vor kommendem Dienstag habe ich keine Zeit dazu!“ Als dein Freund muss er deine Zeit und deine Pläne respektieren. Tut er das nicht, ist er kein Freund!

Auch Vorgesetzte müssen ein „Nein“ bekommen

Du meinst, dich als leistungsschwach darzustellen, wenn du Aufgaben ablehnst? Dabei bietet sich in einer solchen Situation die Gelegenheit zu zeigen, was alles auf deiner Liste steht. Argumentiere sachlich und deutlich, was du alles bis wann zu erledigen hast. Du willst deine Aufgaben sorgfältig bearbeiten und nicht oberflächlich schlampig. Besteht er trotzdem auf zusätzlichen Aufträgen, frag ihn nach Prioritäten, die du setzen sollst.

 

Nimm dir Zeit

Statt jeden Auftrag sofort anzunehmen, bitte um Gelegenheit, kurzfristig zu einem festen Termin zu antworten. Dann nimmst du dir deinen Zeitplan vor und schaust nach, ob du den Auftrag tatsächlich pünktlich bearbeiten kannst. Siehst du keine Chance dafür, sei ehrlich:“ Ich möchte Ihnen die beste Lösung liefern. Das ist in diesem Zeitrahmen aber nicht möglich, weil ich noch bis zum 10. in andere Projekte eingebunden bin. Es würde mich freuen, wenn Sie bei nächster Gelegenheit wieder auf mich zukommen würden. Ich hätte Ihren Auftrag sehr gern übernommen!“
Ich habe es mal anders gemacht und bin heftig auf die Nase gefallen. Ein Kunde, den ich unbedingt haben wollte, hat mir ausgerechnet zu einem Zeitpunkt den ersten Auftrag gegeben, als ich mitten in einem anderen wichtigen Projekt steckte. Ich habe den Auftrag durch jemand anderen erledigen lassen, den ich als kompetent kannte. Er hat jedoch so schlecht gearbeitet, dass ich das Ergebnis komplett hätte überarbeiten müssen. Durch den Zeitdruck waren aber nur ein paar Korrekturen möglich. Der Kunde hat auf weitere Aufträge an mich verzichtet. Hätte ich die Karten doch besser offen auf den Tisch gelegt…

 

Hör auf deinen Instinkt

Manchmal bekommst du eine Anfrage, die dir gar nicht in den Kram passt. Du kannst das fühlen. Es kann sich um ein Projekt oder eine Aufgabe handeln, die an sich gut und spannend ist, zu dir aber gerade oder generell nicht passt. Sei ehrlich:“ Die Sache gefällt mir grundsätzlich gut, aber diese Aufgabe passt nicht zu mir.“

Grenzen zu setzen ist nicht einfach, wenn man es nicht von klein auf gelernt hat. Aber es geht um deine Lebensqualität, die mit diesen Grenzen steigt, oder eben fällt, wenn du sie nicht setzt. Ein anderer wichtiger Aspekt ist der Respekt, den man dir plötzlich entgegenbringen wird, wenn du eine klare eigene Haltung vertrittst.
In meinem E-Book „Zukunft erfolgreich verändern“ gebe ich weitere Tipps zum Thema Einstellungen. Du kannst es kostenlos herunterladen.

Mehr Freiräume durch erfolgreiches „Nein“ sagen
wünscht Dir

Mike Warmeling